Warum ein Ur-Gestein nach 30 Jahren erneut als Ortsteilbürgermeister kandidiert und warum für ihn Stadt und Land nicht zusammenpassen.
Text und Foto von Angelika Munteanu, für Ostthüringer Zeitung, Ausgabe: Sonntag, 6. April 2024, S17
Gera. Als Bernd Müller (parteilos) sich im Herbst vorigen Jahres aus dem Geraer Stadtrat zurückzog, machte auch sein angeblicher Rückzug als Ortsteilbürgermeister von Gera-Aga in der Öffentlichkeit die Runde. Aber das Ur-Gestein aus dem Geraer Norden will es zur Kommunalwahl am 26. Mai noch einmal wissen.
„Ich will mich zur Wahl für Aga noch einmal zur Verfügung stellen“, versichert Bernd Müller. Das habe er inzwischen auch im Ortsteilrat gesagt. Die Chancen, dass das Ur-Gestein von Kleinaga mit dem Geburtsjahrgang 1959 nach 30 Jahren als Ortsteilbürgermeister wiedergewählt wird, stehen gut. Ein Gegenkandidat ist bisher offenbar nicht in Sicht. Als Ortsteilbürgermeister versteht sich Müller als „das Sprachrohr für die Agaer“ und als „der Kümmerer vor Ort“. „Wir leben jetzt und hier, und Aga ist unsere Heimat, die müssen wir erhalten und gestalten“, erklärt er.
Die Eingemeindung sieht Bernd Müller heute als Fehler
Dass sich Aga am 1. April 1994 zur Stadt Gera hat eingemeinden lassen, sieht der damalige Bürgermeister der einst eigenständigen Gemeinde und seitdem Ortsteilbürgermeister als Fehler. Das hatte er im Vorjahr zum Auftakt der Festwoche zum Jubiläum 775 Jahre Aga laut und deutlich erklärt. Zum Ärger der offiziellen Festgäste aus dem Rathaus im Stadtzentrum. Aber Müller steht dazu: „Stadt und Land passen einfach nicht zusammen.“
Als die Gebietsreform vor 30 Jahren anstand, sollte eigentlich eine Verwaltungsgemeinschaft oder eine Verbandsgemeinde mit Nachbargemeinden vor den Toren der Stadt Gera gegründet werden. Nach der Zahl der Einwohner sei das zwar machbar gewesen, aber an einem gemeinsamen Namen, der Aga heißen sollte, hätten sich die Geister mit den Nachbarn geschieden. Die Frage: „Kreisangehörige Gemeinde im großen Landkreis Greiz und Ortsteil von Gera?“, sei damals in einer Einwohnerversammlung entschieden worden.
„Nicht alles, was in den Eingemeindungsvertrag mit der Stadt Gera unter dem damaligen Oberbürgermeister Michael Galley (CDU) geschrieben wurde, ist eingehalten worden“, zieht Bernd Müller Bilanz. Dazu gehörten der Erhalt der Schule und die Planung für das Gewerbegebiet am Ortsrand von Kleinaga. „Dinge, die uns Agaern wichtig waren, und die nicht eingehalten worden sind“, stellt er fest. Die Grundschule wurde im Sommer 2015 geschlossen, den B-Plan fürs Gewerbegebiet in der Lessener Straße gibt es bis heute nicht, obwohl aus der Sicht des Ortsteilbürgermeisters die Fläche am Rand von Kleinaga, wo bereits Unternehmen im Außenbereich angesiedelt sind, weitere Potenzial hätte, sich zu entwickeln.
„Aber wir wollen nicht alles schlecht machen und wir machen heute das Beste aus der Eingemeindung“, sagt Müller. Immerhin: Die Handwerkskammer für Ostthüringen hatte ihr vor 30 Jahren gegebenes Versprechen gehalten und ihr Bildungszentrum am Rand von Kleinaga errichtet. Die Freiwillige Feuerwehr Aga kann ein städtisches Mietobjekt nutzen. Der Spielplatz wird von der Stadt unterhalten. Das Wohngebiet am Schleifenacker hat sich entwickelt. Die Dorferneuerung hat vor allem Großaga gutgetan. Große Sponsoren wie die Reuss‘schen Güter Aga und die Firma Meißner kompensieren vielfach den Mangel an Geld im Dorf am Rande der Stadt. Zu einem überregionalen Zugpferd werde sich die Schießarena auf dem Gelände von Meißners entwickeln, hofft Müller. Nicht nur für Schützen, sondern auch als große Arena für kulturelle Veranstaltungen. Dazu ein reiches Vereinsleben, das Triebfeder im Ortsteil ist. Und das Strandbad, das trotz zwischenzeitlichem Badeverbot jährlich Tausende auch internationale Besucher in den Ortsteil lockt. Die größten Sorgen für die Bewohner am ländlichen Rand von Gera sind das fehlende Geld und die desolate Infrastruktur. „Wir leben in einer schönen Landschaft“, stellt Bernd Müller fest, der sich seit geraumer Zeit gern auch aufs Fahrrad schwingt und rund um seinen Heimatort auf Tour ist. „Wenn wir nur das Problem mit den Straßen nicht hätten. Die sind eine Katastrophe! Aber der Stadt fehlt dafür das Geld.“
Themen ohne Ende für die Zukunft
Aus seiner Sicht gibt es in Aga „Themen ohne Ende“ an denen der Ortsteilbürgermeister und der Ortsteilrat gemeinsam dranbleiben müssten. Dazu zählt er eine Lösung, mit der das alte Schulhaus nachgenutzt werden kann, der Abriss der Ruine am Ortseingang zu Kleinaga, um Platz zu schaffen für neue Wohnbebauung, und die Wanderhütte in der Ortschaft Seligenstädt. Die Wanderhütte am Straßenrand solle aus der erweiterten Ortspauschale behalt werden und auch als Fahrgastunterstand für Busfahrgäste dienen, erläutert Müller und sagt: „All das muss endlich auf die Reihe gebracht werden für unseren Heimatort und seine Bewohner.“